KZ Buchenwald 16. April 1945

Konzentrationslager Buchenwald

Das Konzentrationslager Buchenwald wurde am 11. April 1945 von US-Truppen erreicht. Die Filmaufnahmen entstanden 5 Tage später, am 16. April 1945. Die US-Armee hatte eine ausgewählte Gruppe Weimarer Bürger in das KZ gebracht.

Es ist ein sonniger und warmer Frühlingstag. Am 16. April 1945  werden Weimarer Bürger werden in das nur 10 Kilometer entfernte KZ geführt, um ihnen den unmenschlichen Horror des Nazi Regimes vorzuführen. Die Aufnahmen werden von einem amerikanischen Filmteam des „Special Film Project“ von William Wyler gedreht. Die Aufnahmen sind leider nicht in einem besonders guten zustand erhalten. Der spätere amerikanische Präsident General Dwight D. Eisenhower schreibt über den Hintergrund der Aktion:

„Ich bin niemals im Stande gewesen, die Gefühle zu beschreiben, die mich überkamen, als ich zum ersten Mal ein so unbestreitbares Zeugnis für die Unmenschlichkeit der Nazis vor Augen hatte und dafür, dass sie sich über die primitivsten Gebote der Menschlichkeit in skrupelloser Weise hinwegsetzten. […] Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick. […] Sobald ich am Abend in Pattons Hauptquartier zurückgekehrt war, telegraphierte ich nach Washington und London und drang bei den Regierungsstellen darauf, man solle sofort ohne weitere Umstände eine Reihe von Zeitungsredakteuren und Volksvertretern nach Deutschland schicken. Ich hielt es für richtig, der Öffentlichkeit in Amerika und England diese Beweise unverzüglich zugänglich zu machen, und zwar so, dass für zynische Zweifel kein Raum mehr blieb.“

Buchenwald Tisch

Weimar und Buchenwald

Weimar, das heisst für uns Deutsche Goethe, Schiller, deutsche klassische Hochkultur. Dagegen bezeichnet Buchenwald die bestialische Herrschaft des totalitären Nazi-Regimes. Gerade einmal zehn Kilometer liegen zwischen dem Zentrum von Weimar, der Stadt der Dichter und Denker, und dem Konzentrationslager Buchenwald, das 1937 auf dem Ettersberg errichtet wurde. Das KZ Buchenwald gehört zu den größten Lagern im Dritten Reich. Fast 280.000 Menschen aus über 50 Nationen wurden in Buchenwald über die 8 Jahre  seines Bestehens gefangen gehalten. Etwa 21.000 Häftlinge wurden am 11. April 1945 von den US-Truppen befreit.

Es ist nicht plausibel, dass die Bürger der thüringischen Kleinstadt Weimar nichts von der Existenz des Lagers gewußt haben. Ob sie die Zustände ahnen konnten? Kurz vor Ende des Nazi-Regimes mit ziemlicher Sicherheit. Nach Bombenangriffen wurden KZ Häftlinge bei Aufräumarbeiten mitten in der Stadt eingesetzt. Und in den Wochen vor der Befreiung des Lagers waren tausende Häftlinge auf Todesmärsche getrieben worden, um das Lager noch in letzter Minute zu räumen. Das kann der Bevölkerung nicht verborgen geblieben sein.

Buchenwald Femme

Die Reaktionen auf den Horror

Die Filmaufnahmen zeigen das ein Stück weit das Ausmaß des Horrors und die verstörten Reaktionen vor allem der Frauen. Am Krematorium sind aufgeschichtete Leichen zu sehen. Das Entsetzen steht den Betrachtern ins Gesicht geschrieben. Auf dem Appellplatz haben die amerikanischen Soldaten einen Tisch aufgestellt. Darauf sind Objekte aus dem medizinischen Versuchsbereich des Lagers zu sehen. Vor allem Glasgefäße mit konservierten menschlichen Organen darin. Das Töten von Gefangenen bei Menschenversuchen hatte zum Lageralltag gehört. Apathisch und ungläubig bleiben die Gesichter der meisten dieser Menschen, denen ein amerikanischer Offizier den Hintergrund der Entstehung der Schaustücke erklärt.

S. Bleek


Die Filme haben wir auf HD gescannt vorliegen. Die Nutzungsrechte können bei uns erfragt werden.

KZ Buchenwald 16. April 19452020-04-16T17:30:49+02:00

Houston wir haben ein Problem

Houston wir haben ein Problem

Ein Drama, das die Welt erschüttert hat. Die Geschichte von Apollo 13 ist die Geschichte einer fast schon belanglosen Routinemission, die plötzlich in einem schier aussichtslosen Kampf um das Leben von drei Astronauten mündet. Mit dem Funkspruch „Houston, wir haben ein Problem“ begann eine Rettungsaktion, bei der die Menschen über sich herauswuchsen

Ein Routineflug zum Mond

Am 11. April 1970 startete die NASA die dritte Mission zum Mond. Die Startplattform für Apollo 13 war die Plattform Nummer 13. Nachdem gerade einmal 9 Monate zuvor über eine Million Menschen den ersten Start zum Mond von Apollo 11 in Cape Kennedy live miterlebt hatten, waren die 80.000 Weltraumenthusiasten bei diesem Start eine überschaubare Größe. Unter den Ehrengästen immerhin der deutsche Kanzler Willy Brandt, aber für die NASA und ihr Publikum war das größte Abenteuer der Menschheit anscheinend bereits zu einer belanglosen Routineveranstaltung geworden. Alles das soll sich schlagartig ändern – wenige Stunden später, am 13. April.

Apollo 13 wird zum Drama

„Okay, we’ve had a problem“ funkt mit kaum zu übertreffender Coolness der Pilot des Kommandomoduls „Odyssey“ Jack Swigert zur Bodenstation. Kommandant James Lovell bestätigt gleich darauf mit dem legendären Satz: „Houston, we’ve had a problem.“ – „Houston, wir haben ein Problem.“

Die Astronauten Jim Lovell, Fred Haise und Jack Swigert sind bereits über 300.000 Kilometer von der Erde entfernt, als eine Explosion einen der Sauerstofftanks des Apollo Raumschiffs zerreißt. Kein „Problem“, sondern eine heraufziehende oder eher bereits eingetretene Katastrophe. Das Raumschiff rast von der Erde weg, auf einer Flugbahn, die es in eine sichere Umlaufbahn um den Mond bringt. Einmal in der Umlaufbahn wäre das Raumschiff zum Grab für die 3 Männer geworden. Man stelle sich einmal ein Memento für die Ewigkeit vor. Die havarierte Apollo 13 „Odyssey“ umkreist als stählernes Grab von drei Menschen auf immer und ewig unseren Erdtrabanten.

In unserem Film „Das größte Abenteuer der Menschheit“ schildert Ulrich Walter die Situation.

Filmausschnitt: „Das größte Abenteuer der Menschheit“

Das Problem – eine Katastrophe

Das „Problem“ ist in Wirklichkeit eine Katastrophe

Im Moment höchster Gefahr zeigt sich in Houston die großartige Fähigkeit eines Teams von Menschen, das nicht aufgeben darf und will. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen – unter ihnen an erster Stelle Katherine Johnson und Margaret Hamilton – berechnen in wenigen Stunden die Möglichkeit zur Änderung der Flugbahn mit den noch vorhandenen Ressourcen der beiden Raumkapseln. Die Situation erschien völlig ausweglos – wie Ulrich Walter berichtet.

Apollo 13 am Ende?

Filmausschnitt: „Das größte Abenteuer der Menschheit“

Die Treibstoffvorräte der Mondfähre müssten reichen, um das Gespann durch eine vorausberechnete Triebwerkszündung so zu beschleunigen, dass die Flugbahn nach dem Einschwenken in das Mondschwerefeld genau im richtigen Winkel zurück zur Erde führt. Dazu muss das Schiff gedreht werden und vor allem der Bordcomputer umprogrammiert werden, um die Zündung und Brenndauer exakt durchführen zu können.

Neue Flugbahn für Apollo

Filmausschnitt: „Das größte Abenteuer der Menschheit“

Eine Zündung von Hand wäre zu ungenau. Die Informatiker vom MIT und IBM arbeiten fieberhaft eine ganze Nacht an den nötigen Codes. Das neue Flugprogramm muss rechtzeitig per Funk auf den Bordcomputer aufgespielt werden, denn das Manöver konnte nicht von der Bodenstation allein ausgeführt werden, den es muss ohne Funkverbindung durchgeführt werden. Homer Ahr war einer der „Maneuver Control Programmers“ von IBM bei der Mission Apollo 13: „Wir haben gar nicht darüber nachgedacht, ob wir sie zurückbekommen, wir haben einfach alles getan, um sie zurückzubekommen“.

Die erste Zündung glückt nur 5 Stunden nach Eintritt der Katastrohe. Doch noch ist das Schiff zu langsam. Erst durch eine zweite Zündung der Triebwerke wird Apollo 13 so beschleunigt, dass die Sauerstoffreserven an Bord ausreichen.

Aquarius rettet die Crew

Filmausschnitt: „Das größte Abenteuer der Menschheit“

Währenddessen muss das Leben der Astronauten im Raumschiff gerettet werden. Die Systeme der Odyssey werden heruntergefahren, die 3 Männer zwängen sich in die 2 Mann Kapsel der Landefähre Aquarius. Hier wird bald ein weiteres Problem auftreten. Die Mondfähre hat nicht genügend Lithium Hydroxid Luftfilter, die das giftige CO2 aus der Atemluft von drei Menschen absorbieren. Die ausreichend vorhandenen Lithium Hydroxid Kartuschen des Kommandomoduls Odyssey passen jedoch nicht in die Anschlüsse der Mondfähre. Im Kontrollzentrum improvisieren die Wissenschaftler einen CO2 Filter aus den Materialien, die den Astronauten in der Aquarius zur Verfügung stehen: Schläuche, eine Schachtel, eine Socke. Auch das funktioniert.

Das rettende Improvisationstalent

Filmausschnitt: „Das größte Abenteuer der Menschheit“

Der Film zeigt auch, wie die Öffentlichkeit auf der Erde auf das Drama reagiert. Wurde der Start von Apollo 13 eher als Nebensache wahrgenommen, ist das Publikum im Moment der Katastrophe wieder da. Hunderttausende bangen um das Leben der Raumfahrer, beten für den Erfolg der Rettungsaktion. Das hat mit Sensationslust, der Faszination an der Katastrophe zu tun. Die eigentlich wissenschaftlich nüchterne Weltraumfahrt lässt sich über plötzlich in Schicksale übersetzen.

Die Anteilnahme der Öffentlichkeit

Filmausschnitt: „Das größte Abenteuer der Menschheit“

Geholfen hat den Astronauten das Talent der Wissenschaftler und Ingenieure, ihr großes Wissen, ihre Fähigkeit, die Nerven zu behalten, zusammenzuarbeiten und mit improvisierten Lösungen das Rettende zu erreichen. Es ging gerade noch einmal gut. Ein Wunder? Ich glaube nicht. Die großartige Vision Präsident Kennedys, „den Mond zu erreichen, nicht weil es einfach ist, sondern weil es schwierig ist“, hat das NASA Team in einzigartiger Weise inspiriert und zusammengeführt. Kennedy appelliert an die gesamte Nation, dieses Ziel zu erreichen. Im Apollo Projekt arbeiten zeitweise bis zu 400.000 Menschen an der Verwirklichung der „Mission“ ihres Präsidenten, die als sein großes Vermächtnis nach seiner Ermordung bestehen blieb. Hier der zentrale Ausschnitt aus Kennedys Rede am 12. September 1962 in Houston.

Das Vermächtnis von Präsident Kennedy

Redeausschnitt Präsident Kennedy 12.9.1962, Houston Texas

Das größte Abenteuer der Menschheit

Das Apollo Programm war tatsächlich das „größte Abenteuer der Menschheit“ – vergleichbar vielleicht nur mit dem Aufbruch von Christoph Kolumbus 1492. Die Beinahe-Tragödie von Apollo 13 zeigt das gewaltige Risiko, dass die Raumfahrer eingegangen sind. Der letzte Filmausschnitt zeigt nochmals den ungewissen Moment der Landung der Kapsel, als die Funkverbindung mehrere Minuten unterbrochen ist.

Filmausschnitt: „Das größte Abenteuer der Menschheit“

Die Ursache des Unfalls

Die Explosion des Sauerstofftanks von Apollo 13 wurde von der NASA eingehend untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung brachte einen Defekt eines Thermoschalters zu Tage, der vor dem Start am Boden passiert war und unbemerkt blieb. Die NASA hat dazu einen Zusammenfassung gepostet.

Die historische Rolle des Apollo Programms

Manche behaupten heute, das Apollo Programm sei Geldverschwendung gewesen. Dem würde ich widersprechen. Der Vietnam-Krieg hat auf seinem Höhepunkt die USA in einem einzigen Jahr mehr Dollars gekostet, als 10 Jahre Apollo Programm. Ganz zu schweigen von den zigtausenden Opfern des Krieges. Präsident Kennedy hat in seiner Rede in Houston das Apollo Programm als Teil eines friedlichen Wettstreits der Nationen konzipiert. Es war die Antwort auf Chruschtschows Vision einer friedlichen Raumfahrt. Beide verkörpern für mich produktive Visionen für unsere technologische und wissenschaftliche Entwicklung. Die Tatsache, dass besonders nach der Ermordung von Kennedy und der Entmachtung Chruschtschows die destruktiven Kräfte in der Außenpolitik der beiden Supermächte die Oberhand gewonnen haben, hat letztlich die Vision von Apollo im Moment ihres größten Triumphes der erfolgreichen Mondlandung von 1969 entwertet und ihrer Chancen beraubt. Das Sterben in Vietnam ging unbeeindruckt weiter. Die Rettung der Astronauten von Apollo 13 beweist jedoch, dass wir die Hoffnung nie aufgeben dürfen. Das Menetekel eines um den Mond kreisenden Raumschiffs mit drei toten Astronauten gibt es heute eben nicht.

Wir haben für das ZDF die dramatische Geschichte von Apollo 13 in unseren Film „Das größte Abenteuer der Menschheit“ erzählt. Der Film ist in der Mediathek des ZDF zu sehen und wird demnächst auf der Streaming Plattform verfügbar.

Ein historischer NASA Dokumentarfilm

Der Film „Houston, we’ve had a problem“ wurde 1970 für die NASA produziert. Er zeigt vor allem den Missions-Kontrollraum der NASA und die Arbeit der Ingenieure und Wissenschaftler an der Rettung der Raumfahrer. Das restaurierte Archivmaterial kann bei uns bezogen werden.

„Houston we’ve got a problem“ Archivfilm von 1969 – remastered

Houston wir haben ein Problem2020-03-19T12:38:44+01:00

Geschichte und Film

Geschichte im Film

Geschichte filmisch zu erzählen ist eine Herausforderung. Historische Filmaufnahmen eignen sich besonders gut, um die Vergangenheit zu dokumentieren. Doch ihr Gebrauch muss genau überlegt werden, will man keinen „Fake“ produzieren.

„Geschichte schreiben heißt Geschichte zitieren“ schreibt Walter Benjamin im Passagenwerk. In der Filmproduktion über historische Sachverhalte ist die Montage von historischem Bildmaterial ein Vorgang, mit dem die Bildzitate wieder in den historischen Zusammenhang eingeordnet werden. So bringen wir das Vergangene in eine für uns Zuschauer von heute wahrnehmbare Form, die die Konflikte von produktiven und zerstörerischen Momenten, Motivationen und Menschen verdeutlicht. Die Hoffnung dabei ist, Vergangenes besser zu verstehen um über Verständnis zu lernen. Dramatik, Spannung und Unterhaltung tragen die historischen Montagen. Ein Dokumentarfilm ist nicht die Wirklichkeit, sondern eine gefilmte Erzählung mit Wirklichkeitsgehalt.

Albert Einstein und Leo Szillard in einer Filmaufnahme der Time Inc. Ein Beispiel für Reenactment historischer Sachverhalte.

Quelle: National Archives

Das vorstehende Filmmaterial, zu dem kein Ton überliefert ist, zeigt die Physiker Albert Einstein und Leo Szilard auf der Terrasse von Einsteins Haus in Princeton. Ein Sommertag, ein schrulliger Alter mit wachen, funkelnden Augen, dem ein Jüngerer eine Anzahl maschinengeschriebener Briefseiten vorlegt. Szilard erklärt offenbar den Inhalt, der nachdenkliche Einstein nickt von Zeit zu Zeit bedächtig – eine alles in allem harmlose Szene, ein wenig bedeutsamer Schnipsel Filmmaterial.

Ein historischer Wendepunkt

Heute wissen wir, dass dieser Filmschnipsel einen der bedeutenden Wendepunkte in der modernen Geschichte zeigt. Auf diesen Papieren von Szillard, die Einstein unterschreibt, beruht die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Roosevelt, das „Manhattenprojekt“ zu starten und die Atombombe bauen zu lassen. Diese beiden Männer auf der Terrasse Anfang August 1939 haben mit ihren paar getippten Seiten die Geschichte des 20. Jahrhunderts und der Menschheit wesentlich beeinflusst.

Wüßten wir nicht, wer da zusammensitzt und welches Schreiben da auf dem Tisch geblättert wird, würden wir kaum Notiz von diesen Aufnahmen nehmen. Erst in der Montage in den historischen Zusammenhang gewinnt dieses Filmzitat seine hochdramatische Bedeutung.

Reenactment

Warum aber war eine Kamera dabei? Wo doch niemand wissen konnte, wie bedeutend der Moment auf der Terrasse werden wird?

Es handelt sich hier um einen Fall von Reenactment. Erst nach dem Abwurf der ersten Atombombe wollten Wochenschauredakteure die Story zeigen. Sie sind mit Leo Szilard und dem Durchschlag des Briefs noch einmal zu Einsteins Haus gefahren. Und haben dort die Szene nachgestellt. Insofern dürfen wir die Mienen der Beteiligten und ihre Aktionen nicht näher bewerten. Sie sind nicht authentisch. Gab es also wirklich einen dominanten Leo Szilard, der einen bedächtigen Einstein zur Unterschrift drängt?

Die Wochenschau als Bildquelle

Mit den 1920er Jahren beginnt ein kinohungriges Zeitalter. Der Film wird das zweite große Massenmedium nach der Presse. Die Wochenschau etabliert sich seit 1920 als neues Filmgenre in den Kinos. Um ihre politische Ausrichtung entwicklen sich bald Auseinandersetzungen.

Die Wochenschau war rasch als ein massenwirksames Propagandamedium verstanden worden. Unter „Propaganda“ verstand man allerdings in den 1920er Jahren etwas Anderes als heute. Noch war das Wort eher mit „Verbreitung“ als mit „Verdrehung“ von Tatsachen verknüpft. Aber die hohe „propagandistische“ Bedeutung der Kino-Wochenschauen, die Suggestivkraft des Bildes werden Ende der 1920er Jahre zum Politikum. Die Reichsregierungen Müller und Brüning wollen mit einer Beteiligung an der Münchner Emelka Wochenschau verhindern, dass die UFA, im Besitz des rechtslastigen Hugenbergkonzerns, ein Quasi-Monopol auf Wochenschauinhalte erhält. Von der Presse des Hugenberg-Lagers und im Völkischen Beobachter der NSDAP wird dagegen mit ähnlichen Argumenten polemisiert, mit denen heute die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender angegriffen werden. Die Stabilisierung der angeschlagenen Emelka Gesellschaft scheitert übrigens ebenso wie die Rettung der Republik.

Entdeckung der Propaganda

Wochenschauberichte sind also offenbar nicht politisch neutral, dürfen nicht als „objektive“ historische Quelle verstanden werden. „Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt. Damit wird ihre rein geistige Höhe um so tiefer zu stellen sein, je größer die zu erfassende Masse der Menschen sein soll.“ – behauptet Hitler in „Mein Kampf“. In der Zeit der Diktatur der Nationalsozialisten wird Goebbels Propagandaminister. Goebbels braucht die Bedeutung der Hoheit über die wöchentlichen Filmberichte nicht erst verstehen lernen. Das Kino ist das große Massenmedium dieser Zeit. Seit 1934 werden die Wochenschauen von einem Zensor des Propagandaministeriums abgenommen, seit 1935 werden die Wochenschaubilder und Pressetexte über das Deutsche Nachrichtenbüro bzw. Film-Nachrichtenbüro verteilt, unterstellt dem Propagandaministerium. Über 2000 Mitarbeiter arbeiten in der Goebbels-Behörde.

Goebbels ist ein großer Bewunderer der expressionistischen Filmsprache und besonders von Sergej Eisenstein. 1928 schaut er sich Sergej Eisensteins „Oktober“ an. „Das ist also Revolution. Man kann von den Bolschewisten vor allem im Anfachen, in der Propaganda viel lernen.“ – notiert er in seinem Tagebuch. In den folgenden Jahren leitet er die Propagandakampagne der NSDAP mit modernsten Mitteln der Massenbeeinflussung. Dazu gehören Fotos und Filmmaterial, die affektive Wirkung entfalten. Die Bilder sollen bei der Wahrnehmung durch ihren Adressaten eine besonders ausgeprägte „überwältigende“ und emotional erregende Wirkung entfalten.

Das Filmmaterial der Nazizeit, überliefert sind in der Regel nur die geschnittenen Beiträge, ist also von subtilen bis hin zu offenen propagandistischen Absichten durchzogen. Goebbels verdeutlicht im April 1933 seine Absichten: „Das muß nun die Phantasie machen, — die Phantasie, die sich nun auf diesem Boden (einer nationalistischen Kunst und Kultur) bewegt und nun all die Mittel und Methoden in Anspruch nimmt, um die neue Gesinnung modern und aktuell und interessant und ansprechend den breiten Massen zu Gehör zu bringen: interessant, lehrreich, aber nicht belehrend.“

Propagandaeffekte

Leni Rieffenstahl als fähige NS-Propagandistin: Schnitt und Gegenschnitt dramatisieren den Enthusiasmus der fanatisierten Menge bei der Ankunft des Flugzeugs von Adolf Hitler in Nürnberg.

Quelle: National Archives/Bundesarchiv

Eine der erfolgreichsten Regisseur*innen der Goebbels-Propaganda wird Leni Riefenstahl. In ihrem Film „Triumph des Willens“ bedient sie sich im ersten Filmteil eines für damalige Zeiten gigantischen Aufwands an Kameras und technischen Hilfsmitteln, um die Inszenierung Hitlers als Erlöserfigur glaubwürdig zu machen. Goebbels bemerkt: „Die Hauptsache ist heute bei unserer Propaganda, dass sie menschen- und lebensnah bleibt. Je weniger wir uns in Doktrinarismus verstricken, desto besser ist es für unsere Sache.“

Leni Rieffenstahl präsentiert Joseph Goebbels als jovialen lächelnden Regisseur des Nazi-Parteitags in Nürnberg.

Quelle: National Archives

Die propagandistischen Absichten zeigen sich auch bei Wochenschaufilmen bereits bei der Kameraführung, die zum Beispiel während des Krieges deutsche Soldaten häufig in Untersicht zeigt und dadurch überhöht werden und „unbezwingbar“ erscheinen sollen, wohingegen ihre Gegner von erhöhter Position gedreht und dadurch optisch verkleinert und geschwächt werden. In deutschen Kriegsfilmen wie „Feldzug in Polen“ fahren deutsche Panzer gerne in Großaufnahme von links unten nach rechts durch das Bild. Ihre Bewegung folgt der aufsteigenden Diagonale – die in der christlichen Kunst für Hoffnung steht. Dazwischen geschnittene Close Ups kantiger Gesichter werden genutzt um Entschlossenheit und Unbezwingbarkeit anzuzeigen. Der Filmschnitt folgt also den gleichen Maximen, wie der Kameramann. Verstärkt wird das Ganze durch entsprechend mobilisierende Musik und durch den schneidenden Ton der Stimme des männlichen Kommentators. Von der Wortwahl ganz zu schweigen.

Die Wehrmacht am Arc de Triomphe. Symbolische Überhöhung des triumphierenden deutschen Soldaten.

Quelle: National Archives

Hoffnung, Dynamik, Unbezwingbarkeit. Bei der Nutzung von überlieferten Filmmaterial müssen diese Wirkungen bedacht werden. Der suggestive Filmschnitt der Wochenschauen kann gebrochen werden, wenn die Szenen auseinandergenommen und komplett neu montiert werden. Die Kameraführung und natürlich die Auswahl der Bilder können allerdings nicht nachträglich verändert werden. Der Kommentartext verstärkt noch die propagandistische Wirkung. Nutzen wir heute solche Materialien, um historische Zusammenhänge zu dokumentieren, sollte der Bearbeiter der Filme wissen, was er tut. Dies gilt im übrigen auch für Materialien anderer Wochenschauen. Propaganda ist sehr oft dabei, Fake News sind ebenfalls schon seit langem im Repertoire, wo immer wir hinschauen.

Ein Beispiel aus der Zeit des Kalten Krieges ist das Universal Newsreel von 1964, das den Tonkin Zwischenfall zeigt. Der Tonkin Zwischenfall dient dazu, das amerikanische militärische Eingreifen im Vietnamkonflikt massiv auszuweiten. Der Tonkin Zwischenfall hat nie stattgefunden. Die Wochenschau unterschneidet einen zerknirschten Präsidenten Johnson mit Bildern von Kriegsschiffen, Kampfflugzeugen und den leidenden Zivilisten, denen geholfen werden soll. Keines dieser Bilder zeigt einen tatsächlichen historischen Zusammenhang. Die Schiffe fahren vor der Küste Vietnams, wo sie nicht attackiert wurden. Präsident Johnson wird mit vietnamesischen Verwundeten unterschnitten. Das weinende Kind appelliert an die Gefühle des amerikanischen Kinogängers.

Die Nutzung von Filmen aus unterschiedlichen Quellen, die zum gleichen Thema gedreht wurden, hilft, sich den wahren Sachverhalten zumindest ungefähr zu nähern. Alles Weitere kann nur durch Heranziehen zum Beispiel schriftlicher Zeugnisse oder anderer Quellen ermittelt werden. Solides historisches Wissen ist für unsere Arbeit unabdingbar.

Universal Newsreel von 1964. Der Tonkin Zwischenfall. Ausschnitte ohne Ton.

Quelle: National Archives

Geschichte und Film2020-03-03T18:09:36+01:00

Das größte Abenteuer der Menschheit: Geheimnisse des Apollo Programms

Aktuell

Nächste Sendung am 12.04.2020 um 19:25 Uhr auf History HD

Das Apollo-Programm war das größte Raumfahrt-Projekt der USA. Es brachte zum ersten Mal Menschen auf den Mond. „Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit“, textet der Astronaut Neil Armstrong am 20. Juli 1969, als er von der Leiter der Mondfähre „Eagle“ steigt und den Mondboden betritt.

Das Apollo-Programm und seine Hintergründe

Das Apollo-Programm wurde von der National Aeronautics and Space Administration (NASA) zwischen 1961 und 1972 durchgeführt. Der Film skizziert das gesellschaftliche Umfeld der 1950er und der 1960er Jahre, aus dem heraus das Programm geboren wurde. Das war eine Zeit des technologischen Aufbruchs und des Wettstreits mit der Sowjetunion. Denn die Sowjetunion hatte beim Aufbruch in den Weltraum lange Jahre die Nase vorn, wie wir auch in unserem Film „Geheimnisse der Sowjet-Technik“ zeigen.

Die Aufholjagd

Mit der Verkündung des Apollo Projekts durch Präsident Kennedy, nehmen die USA die Herausforderung an. Dazu zeigen wir Farbfilme von der Rede Präsident Kennedys in Houston Texas, die das Apollo Programm der Öffentlichkeit vorstellt. Dann werden die Schritte der Mercury-, Gemini- und Apollo- Missionen angesprochen. Und den Höhepunkt bilden die Aufnahmen der Apollo 11 Mission und der folgenden Mondlandungen. Der Film zeichnet aus teilweise unveröffentlichten Archivfilmen der Nasa und aus Wochenschauberichten den Verlauf des Weges auf den Mond nach.

Der Film erzählt auch von Katastrophen und die Opfer, die Apollo fordert, und von der glücklichen Rettung der Crew von Apollo 13, die in einem Wrack in Richtung Mond raste. Und auch verbürgte Anekdoten werden geschildert. Etwa die von Buzz Aldrin, der für die Rückkehr vom Mond die Fähre Eagle starten will, aber keinen Schalter für den Reset der Systems mehr vorfindet. Fast wären Armstrong und Aldrin dort hängen geblieben.

Symbol für die Fähigkeiten des Menschen

Und bis heute ist der Blick vom Mond auf die kleine blaue Erde im unendlichen Schwarz des Alls ein Symbol für die Zerbrechlichkeit unseres Planeten. Bis heute ist der Flug zum Mond eine technische Meisterleistung und das beste Symbol für die großartigen Fähigkeiten des Menschen. Fähigkeiten, die sogar über den eigenen Orbit hinausreichen. Auch wenn es uns auf der Erde nicht gelingt, eine zufriedenstellende Ordnung unserer Angelegenheiten zu erreichen.

Manchmal wird behauptet, das Programm sei eine gigantische Geldverschwendung gewesen. Dem würde ich widersprechen. Denn der Vietnam Krieg kostete die USA allein im Jahr 1969 mehr Geld, als das gesamte Apollo-Programm über 10 Jahre. Gar nicht zu reden von den hunderttausenden Kriegsopfern. Und ohne Apollo hätte es  viele bahnbrechende Entwicklungen in der Computertechnologie oder in der Raumfahrt nicht gegeben. Oder zu einem viel späteren Zeitpunkt. Denn „Apollo hat die Zukunft in die 60er Jahre gebombt“ – so kommentiert Ulrich Walter im Film. Zum Glück waren diese Bomben friedliche Durchbrüche in Wissenschaft und Technik.

Apollo 9 Start of Saturn missile
Das größte Abenteuer der Menschheit

Ein Film der zb Media für das ZDF. (43 min.)

Buch und Regie: Peter Kocyla, Stephan Bleek
Kamera: Wanja Nolte
Schnitt: Wanja Nolte

Mit Ulrich Walter, Helmuth Trischler, Peter Sartorius und anderen.

Das größte Abenteuer der Menschheit: Geheimnisse des Apollo Programms2020-03-19T12:28:39+01:00

Sputnik

Sputnik 1

Sputnik 1 war der erste künstliche Erdsatellit der Menscheit. Mit dem sowjetischen Satelliten beginnt am 4. Oktober 1957 das Zeitalter der Raumfahrt.

Der Satellit wurde zum Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957 gestartet. Der kugelförmige Sputnik 1 (Durchmesser 58 cm, Gewicht 83,6 Kilo) wurde von einer Rakete vom Typ R-7 ins All getragen. Konstrukteur der Rakete war Sergei Koroljow. Koroljow wird der Vater des sowjetischen Raumfahrtprogramms – ähnlich wie Wernher von Braun in den USA.

Sputnik

Sputnik flog auf seiner Umlaufbahn in etwa 96 Minuten einmal um die Erde. Er umkreiste die Erde 92 Tage lang. Sein Funksender strahlte piepsende Signale aus. Diese konnten in aller Welt empfangen werden. In Deutschland fing sie Heinz Kaminski in der Volkssternwarte Bochum als Erster auf.

Sputnik war ein gewaltiger Prestigeerfolg für die Sowjetunion. Niemand hatte damit gerechnet, dass das Land zu solchen technischen Höchstleistungen in der Lage war. Dass die Sowjetunion zum Start des ersten künstlichen Erdsatelliten überhaupt in der Lage war, löste den sogenannten Sputnik-Schock aus. Er zeigte der USA wie klein und verletzlich sie ist. Der  Sputnikschock eröffnete das ‘Space Race’ zwischen der Sowjetunion und den USA.

Original Footage zum Start des Sputnik, gescannt in 2k, können wir lizenzieren.

Beitrag: Stephan Bleek

Sputnik2019-12-03T11:18:35+01:00

Ein Computer-Glossar

Ein Computer-Glossar

Der Film „A Computer Glossary“ wurde 1968 für den IBM Pavilion auf der Weltausstellung von San Antonio produziert. Er zeigt die Funktionsweise eines Computers, der Informationsmaschine, mit witzigen und instruktiven Grafik-Animationen. Ray und Charles Eames schufen einen hochinteressanten Kurzfilm.

The designer couple Ray and Charles Eames

Das Designer Paar Ray und Charles Eames

Charles Eames und seine Frau und Partnerin Ray sind vor allem bekannt für ihr Design von Stühlen oder ihr berühmtes Haus in Pacific Palisades bei Los Angeles. Sie haben das Design des 20. Jahrhunderts geprägt. Wenig bekannt ist, dass sie auch zahlreiche Filme produziert haben, darunter mehr als fünfzig Filme, Ausstellungen und Bücher für den Computerkonzern IBM.

Technik der Darstellung

Mit Hilfe von Animationen werden charakteristische Aspekte der Logik der elektronischen Problemlösung dargestellt. Mit seinen beiden Bildebenen leistet der Film eine Einführung in die Funktionsweise eines Computers. Ein Vorgang und seine kybernetische Repräsentanz werden mit einfachen Mitteln veranschaulicht. Der Film zeigt auf der ersten Bildebene eine animierte Abfolge eines Geschehens und auf einer zweiten Bildebene die Repräsentation dieses Geschehens in einem Flussdiagramm. Solche Flussdiagramme waren in den 1960er Jahren die übliche die Basis für die Erstellung von Computerprogrammen. Das Diagramm nutzt die damals üblichen klassischen Symbole für Datenflusspläne. Mit Hilfe von Schablonen wurden solche Abläufe zunächst manuell aufgezeichnet. Die sorgfältige Analyse und genaue Darstellung des Ablaufs des jeweiligen Datenflusses ist die entscheidende Voraussetzung für die korrekte Erstellung der Programminstruktionen zur Steuerung des Computers.

Entstehung

Der Film wurde von Glen Fleck, einem Mitarbeiter des Büros von Ray und Charles Eames, mit Unterstützung von Lynn Stoller von IBM hergestellt. Der Film gewann 1969 eine Bronzemedaille beim Atlanta International Film Festival.

Hemisfair San Antonio 1968

Die Weltausstellung San Antonio

Der Film von IBM und dem Eames Office, wurde erstmals 1968 im Lakeside Pavillon der IBM auf der Hemisfair Weltausstellung in San Antonio, Texas, gezeigt.

Vorführungen in Deutschland

In den 1970er Jahren wurde er von der US Information Agency in den Auslandsbüros der USA vorgeführt. Wir konnten den Film 1973 im Münchner Amerika Haus sehen. Eine Kopie des Films befindet sich heute in den National Archives in College Park. Eine digitale Kopie liegt im Archiv der zb Media. Hier Informationen zur Lizenzierungsmöglichkeiten.

Mehr Informationen zu Ray und Charles Eames im Vitra Museum, Weil am Rhein oder auf der Seite des Eames office.

Ein Computer-Glossar2020-03-06T17:57:05+01:00

Summer of Love 1967

Haight Ashbury in San Francisco 1967.

„If you’re going to San Francisco…“. Der Song von Scott McKenzie eroberte 1967 die Charts, die Geburt von Flower Power.  Auch im deutschen Radio lief er Tag und Nacht. „Be Sure to Wear Flowers in Your Hair“. Wir hörten ihn als Jugendliche, aber San Francisco war irgendwo weit weg im Unbekannten. Haight Ashbury in San Francisco ist der Schauplatz des „Summer of Love“. Die Filmaufnahmen hat die Filmforscherin Lisa Hartjens in den National Archives in College Park gefunden.

Wenn wir im Sommer 1967 das Radio nachmittags aufdrehten, kam mit ziemlicher Sicherheit „San Francisco“ von Scott McKenzie. Der Hit war vielleicht die wichtigste Propaganda für die Flower Power Bewegung, die unsere Generation der in den 1950er Jahren Geborenen geprägt hat. Über die Hintergründe wussten wir damals wenig. Mit 12 oder 14 Jahren war man noch fest im Kontext von Elternhaus und Schule eingebunden. Die Musik im Radio war der Schlüssel zur großen Welt ausserhalb der eigenen Erfahrungen.

Als ich vor einigen Jahren mit Elisabeth Hartjens im Filmarchiv der National Archives gestöbert habe, kam sie mit einer Kopie von unveröffentlichten Filmaufnahmen aus San Francisco aus dem gleichen Jahr 1967. Ich habe das Material zu diesem kurzen Film zusammengeschnitten. Unterlegt habe ich die Musik von Greatful Dead, der legendären Band aus San Francisco. Die Bandmitglieder wohnten im Viertel, das der Film zeigt.

Idaho Times 1969-04-14 Hippies

Bo Maverick in Haight Ashbury

Der „Local Hero“ des Summer of Love in San Francisco, der bärtige alte Mann „Bo Maverick“, taucht im Film und in verschiedenen Fotos und Artikeln aus der Zeit auf. Der richtige Name des Freigeists war Edward Bray, er spielte seine Rolle als „King of the Hippies“. „Haight Ashbury Maverick“ hieß eine Untergrundzeitschrift der Szene aus dem Viertel. In einem Pressefoto ist zu sehen, wie der alte Mann ein Exemplar einer Untergrund Zeitschrift an Vize-Präsident Humphrey, Kandidat der Demokraten im Wahlkampf 1968 überreicht. Im Frühjahr 1969 taucht der Maverick als selbsternannter Hippie-Führer in einem Artikel der Idaho Times auf. Für den 19. April 1969 habe ein Bo Maverick ein Erdbeben vorhergesagt. Im September 1969 ist der alte Mann laut San Francisco Chronicle an einem Herzanfall gestorben.

Typen und Themen

Das Filmmaterial dokumentiert typische Momente der Popkultur Ende der 1960er, die die Zeitenwende in der westlichen Welt illustrieren, die wir heute mit ’68er Generation‘ betiteln. Die phantasievollen Klamotten der Flaneure, ihre Schuhe, die Haar- und Bartracht der Männer, das entspannte Herumhängen. Der Postershop mit den Harleys und den psychodelischen Ornamenten. Der selbstorganisierte medizinische Dienst, der für die Folgen des Drogenkonsums eingerichtet wurde. Im Kino wird Andy Warhols Film „I, a man“ angekündigt. Der Film ist ein zentrales Dokument der sexuellen Revolution. Auch die Untergrundzeitschrift „Haight Ashbury Maverick“ verbreitete das neue Lebensgefühl sexueller Freizügigkeit. Ihre Artikel zirkulierten auf dem Campus der Universitäten in der ganzen Welt.

Stellenwert

Die Bilder des Films illustrieren einen tiefgreifenden kulturellen Wendepunkt. Mehr als die linksradikale politische Bewegung, die sich in den USA vor allem am Vietnamkrieg entzündete, haben die Popkultur und die Hippiebewegung die Gesellschaften der westlichen Welt revolutioniert. Dieser subtile Wandlungsprozess nahm von Haight Asbury seinen Ausgang und hat in den 1990er Jahren offenbar seinen Höhepunkt erreicht. Die autoritäre Härte der Kriegsgeneration wurde von einer offeneren und freieren Lebensweise überwunden. Erst in den letzten Jahren melden sich autoritäre und repressive Strömungen und Denkweisen wieder spürbar zurück.

Autor: Stephan Bleek. Filmschnitt: Stephan Bleek. Filmmaterial zu beziehen über zb Media.

Summer of Love 19672020-05-13T16:11:09+02:00

A.D. 1999 – Zukunft vor 50 Jahren

Wie Silicon Valley sich 1967 die Zukunft vorstellt

Im Rückblick wirkt es meistens eher komisch, wie sich Menschen ihre Zukunft einmal ausgemalt haben. Dagegen zeigt der Film A.D. 1999, der 1967 entstanden ist, eine erstaunliche technologische Vision. Er sagt die Zukunft des Lebens mit dem Computer zu Hause in vielen Punkten treffend voraus. Die meisten der technologischen Ideen im Film stammen von der NASA. Wir sehen, wie wichtig das Apollo Programm für die Welt von heute ist.

Videotelefonie Vision 1967

A.D. 1999 – das 21. Jahrhundert fast real

Der Film zeigt das „Haus der Zukunft 1999“. Also eine Vision davon, wie das Leben im 21. Jahrhundert aussehen wird. Große Flachbildschirme in Büro, Kinderzimmer, Wohnzimmer und Küche. Ein häuslicher Zentralcomputer mit Netzanschluss, Videotelefonie, E-Learning oder Homeshopping. Im Gegensatz zu den meist völlig unrealistischen Science Fiction-Filmen ist diese Zukunftsvision nicht allzu weit von unserem heutigen Leben entfernt.

Eine Server-IT mit Terminals wird präsentiert. Funktionen wie Videotelefonie, Homeshopping, persönliche Finanzen oder Bildung laufen auf Terminals mit jeweils nur einer Funktion. Heute haben wir dagegen multifunktionale Geräte, die mehrere Funktionen beherrschen. Doch das Entscheidende und Faszinierende ist die Vorhersage der Anwendungen selbst. Und Architektur, Hausenergie und Versorgungseinrichtungen sind selbst heute noch nicht so entwickelt worden wie im Film vermutet wird. Doch die jetzt nötige Energiewende wird genau das vorantreiben, was im Film gezeigt wird.

Der Strom der Zukunftswohnung kommt aus einer Brennstoffzelle, die genaue Kontrollen zum Energieverbrauch unterstützt. Die Wohnung ist aus wabenförmigen Einzel-Modulen errichtet, die je nach Größe der Familie um weitere Waben ergänzt werden könnten. Wir sehen den realisierten Traum eines autarken amerikanischen Einfamilienhauses. Es liegt abgeschieden in einer schönen, trockenen Küstenlandschaft Kaliforniens. Dass die Brennstoffzelle auch Trinkwasser produziert, ist daher in diesem Klima sehr von Vorteil.

Der erste Filmausschnitt beginnt an einem Strand. Wie werden wir im 21. Jahrhundert leben?

Ford Seattle Car 1962

Mobilität der Zukunft

Das Auto im Film ist ein Knüller! Es ist ein Ford Seattle-ite, eines der großartigen Konzept-Autos der Geschichte, das Ford auf der „Weltausstellung des 21. Jahrhunderts“ in Seattle 1962 präsentiert hat. Zuerst fallen natürlich die vier Vorderräder auf, mit denen die Effizienz von Traktion und Bremse erheblich verbessert werden sollte. Der gesamte Antriebsteil des Wagens konnte von der Passagierzelle abgetrennt werden, um die Passagiere mit anderen Antriebssystemen zu koppeln.

Innen hat das Auto kein Steuerrad mehr. Es verfügt über einen Computer, der die Reiseroute programmiert. Das Glasdach ist thermochrom, kann also selbsttätig Hitze absorbieren. Mit den Fingerspitzen wird das Auto gelenkt. Ein Bildschirm zeigt die Motorleistung, die Straßen- und Wetterbedingungen und die Position des Fahrzeugs. Die automatisch abrollende Straßenkarte ist noch kein Navi von heute, aber das Konzept ist das Gleiche. Die Ingenieure antizipieren bereits das selbstfahrende Auto. Der Antrieb des Autos erfolgt mit einer Brennstoffzelle. Oder mit einem  kompakten nuklearen Fusionsantrieb. Die Kernfusion wurde damals als sichere und zukunftsfähige Energiequelle verstanden, aber man hat natürlich die enormen Probleme der Plasmatechnologie nicht gesehen. In Autos ist die Nuklear-Technologie völlig unrealistisch. Die Ideen stammen jedoch, wie auch die meisten anderen Beispiele im Film, aus der Raumfahrt. Und die Brennstoffzelle ist auch heute das wichtigste Antriebskonzept für die Zukunft.

Kind Computerunterricht E-learning

Die Familie des 21. Jahrhunderts

Die im Film dargestellte Familie gehört zur weißen amerikanischen Mittelschicht. Michael, 45, ist Astrophysiker, Karen, 43, Hausfrau, Künstlerin und Teilzeitbeschäftigte. Ihr einziger Sohn James ist 8. Sie leben den Traum einer modernen amerikanischen Familie. Die Wohnung ist großzügig, die Haustechnik wird von Computern gesteuert. Michael arbeitet im Homeoffice, sein Computer ist mit den Labors der NASA vernetzt. Per Videotelefon kann er sich mit Kollegen besprechen.

E-Learning …

James muss lernen. Auf einem Großbildschirm sieht er sich einen Film von der Mondlandung an. Auch die Mondlandung ist noch Zukunft. Die wirkliche Landung von Apollo 11 wird erst zwei Jahre nach Entstehung des Films stattfinden. Aber die Filmleute kennen sich aus. Ihr Auftraggeber ist eine der Firmen, die am Apollo Programm mitarbeiten. Der Vater von James arbeitet 1999 bereits an einem Marsprojekt. Die NASA erwartete damals tatsächlich die Landung auf dem Mars in nur 30 Jahren. Auch James lernt selbstverständlich am Computer. Über multiple-choice Fragen trainiert der Computer sein Wissen über Physik. Im „Space-Age“ von 1967 ist Astrophysik die Leitwissenschaft der Zukunft.

E-kitchen menu discussion

Cyber-Küche…

Der Computer schlägt das Mittagsmenü vor. In klassischer Rollenverteilung ist die Mutter Karen für den Haushalt zuständig. Also werden uns, soziologisch gesehen, keine sonderlich überraschenden Zukunftsvisionen präsentiert. Ein klassisches Eigenheim, klassische Rollen von Mann und Frau. Dafür aber um so mehr Technikunterstützung. Über Videotelefonie teilen Vater und Sohn ihre Wünsche mit. Der Computer berechnet die genaue Kalorienzahl und warnt die einzelnen Esser vor zu viel Kalorien. Das Menü wird reduziert, bis die Kalorienzahl stimmt. Genau so funktionieren heute tatsächlich die modernen Gesundheits-Apps.

Der Computer nimmt aus seinem Vorrat an tiefgefrorener Fertigkost das ausgewählt Menü. Die Portionen werden in der Mikrowelle aufgetaut und erhitzt und fertig. Um das Tempo dieser modernen Küche zu illustrieren, zählt der Junge einen Countdown – wie bei den Starts der NASA Raketen.

Im Film wird die Wohnung als Haushalt des Space-Age bezeichnet. Jede technische Applikation wird als eigenes Gerät von ziemlichen Ausmaßen vorgestellt. Also mutiert dadurch die Wohnung zu einem großen Kontrollraum. Diese unterhaltsame Vision einer Zukunft kommt der Wirklichkeit von heute ziemlich nahe. Allerdings haben wir heute einzelne Geräte, die eine Vielzahl von Funktionen ausüben und Applikationen steuern.

home-shopping

Home-Shopping…

Auch Homeshopping fehlt nicht. Schon 1967 haben die Ingenieure sich das Modell der Internetverbindung zum Modegeschäft der Wahl vorgestellt und im Film realisiert. Das Zalando der 1960er wirkt noch etwas unbeholfen – aber damals hatte schließlich das Gros der Menschheit keinerlei Schimmer von Homecomputern, Internet oder Ähnlichem. Die Visionäre aus dem Umkreis der NASA kannten Dinge, von denen ihre Zeitgenossen nicht einmal träumen konnten.

Homeoffice vision

Home-Office…

Die Rechnung präsentiert das Home-Office dem Ehemann. Auch hier gibt es für die damalige Zeit revolutionäre Ideen. Die Heimcomputer sind mit der Bank verbunden, die Kontoauszüge kommen online ins Haus. 1967 waren wir noch ein gutes Stück weit von irgendeiner praktischen Versuchsanwendung dieser Ideen entfernt. Militär und Forschung arbeiten jedoch bereits an ersten Pilotprojekten. In den USA sind schon die Weichen zur Entwicklung des Arpanets gestellt, aus dem sich zwei Jahrzehnte später das Internet entwickelt. Heute ist vieles, was hier für 1999 gezeigt wird, Wirklichkeit geworden. Zwar haben sich die technischen Geräte natürlich optisch und auch von der Technik im Innern anders entwickelt, als hier zu sehen. Aber einige Anwendungen sind treffend vorausgesagt worden.

Party im Cyber Home 1967

Energieversorgung

Auch die Technik zur Energieversorgung des Hauses ist eine Projektion von Technologien des Apollo-Programms. Denn für die Apollo-Raumschiffe wurden alkalische Brennstoffzellen zur Energieversorgung entwickelt. Diese produzieren neben Strom und Wärme auch das Trinkwasser. Genau so stellen sich die Ingenieure im Film die zentrale Energieversorgung ihres Hauses vor. Ein Projekt für ein Haus in einer abgelegen Region, ohne Versorgungsnetzwerk. Der Traum eines autarken Lebens, vernetzt mit der Gesellschaft nur über Computer. So gesehen vielleicht ein Training für die Besiedlung des Mars, ein Projekt, an dem Michael mitarbeitet. In der Haustechnik von heute sind Systeme mit Brennstoffzellen auf dem Vormarsch. Die Energiewende, besonders im Verkehrssektor, wird ohne diese Technologie kaum zu bewältigen sein.

Das Wohnzimmer mit photochromen Fensterscheiben zeigt ebenfalls eine Technik, die heute zunehmend eingesetzt wird. Thermochrome Schichten bilden einen selbstregelnden Überhitzungsschutz für Fenster und Fassaden. Sie lassen bei niedrigen Außentemperaturen Licht und Wärme eintreten, aber bei höheren Temperaturen reflektieren sie die Strahlung. Auch diese Technik hat die NASA entwickelt. Sie schützte viele empfindliche Teile der Apollo-Raumschiffe vor den extremen Temperaturschwankungen im All.

Heute ist die Verdunkelung und Energieabsorbierung über thermochrome Fenstergläser in der Haustechnik eine der Zukunftstechnologien, die serienreif geworden ist. Die Fenstergläser können die klimatischen Verhältnisse in Räumen mit großen Glasflächen automatisch und energiesparend regulieren.

Houston Mission Control Center

Philco Ford

Der Film A.D. 1999 wurde von der Philco Ford Corporation zu ihrem 75. Firmenjubiläum im Jahr 1967 produziert. Die Firma stellte Haushaltsgeräte her, war aber seit den 1930er Jahren auch in der militärischen Forschung und Entwicklung aktiv. Bereits in den 50er Jahren baute sie transistorbasierte Computer. Dann entstanden Tracking Systeme für Lenkraketen in der Luft- und Raumfahrt. Und die NASA beauftragt Philco Mitte der 1960er Jahre mit der technischen Ausrüstung des Kontrollzentrums für die Apollo-Flüge in Houston. Aus diesem Großauftrag leiten sich einige der technologischen Ideen ab, die Philco zu seinem Firmenjubiläum präsentiert. Denn daneben produziert Philco-Ford damals auch eine Palette an Konsumgütern, wie Kühlschränke, Waschmaschinen, Fernseher, Taschenrechner, Radios, Phonographen, Klimaanlagen, Autoradios oder Videospielkonsolen. Computer steuern die Haushaltsgeräte im Film, ein damals futuristisches Verfahren.

Ideen für die Zukunft

Man kann vermuten, dass die Philco-Manager so stolz auf ihren NASA Apollo-Kontrollraum in Houston waren, dass sie ähnliche Gerätschaften gleich in jeden Haushalt liefern wollten. Tatsächlich zeigt der Film für die damalige Zeit revolutionäre Ideen, die langsam aber sicher in der Welt des 21. Jahrhunderts Wirklichkeit werden. Und sie müssen dies auch, weil anders der Ersatz der fossilen Brennstoffe nicht zu schaffen sein wird. Das Leitmotiv des Films, die Arbeit an der Besiedelung fremder Planeten, ist insofern noch Ausdruck der Visionen der 1960er Jahre. Heute brauchen wir die technologischen Visionen dringend, um die Zivilisation auf unserem eigenen Planeten in die Zukunft zu führen. Die großartigen Ideen, die die Ingenieure im Rahmen des Apollo-Programms entwickelt haben, besitzen immer noch einiges Potenzial für die Lösung dieser Zukunftsaufgaben.

Beitrag: Stephan Bleek. Lizenzierungsanfragen für Texte, Film- und Fotomaterial bitte an zb Media.

A.D. 1999 – Zukunft vor 50 Jahren2019-12-05T16:31:36+01:00

Filme von „Frau Hitler“

Filme von Frau Hitler

Die Filme von „Frau Hitler“, von Eva Braun, gehören zu den wenigen Zeugnissen der Alltags von Adolf Hitler und den Mächtigen des Dritten Reichs. Die Filme wurden in den Jahren nach 1936 gedreht. Sie zeigen vor allem Szenen auf der Terrasse des Berghofs am Obersalzberg in Berchtesgaden, aber auch ihre Ausflüge in Oberbayern oder Reisen nach Skandinavien oder Italien. Die Entourage Hitlers am Berghof ist in vielen Szenen eingefangen. Sie präsentieren das harmlose Gesicht und Gehabe einer Gesellschaft von mörderischen Anhängern des Führers des Dritten Reichs. Beispiel ist etwa der smarte junge Mann Dr. Karl Brandt, Hitlers Bereitschaftsarzt. Seit 1939 wird er verantwortlich für zehntausende Euthanasie-Morde. 1945 wird der Berghof bombardiert, ein weiterer Film vom Mai 1945 zeigt das Trümmerfeld des Geländes am Obersalzberg.

Gerade hat das „Photohaus Hoffmann“ in der Münchner Amalienstraße 25 neue, größere Geschäftsräume bezogen. An einem Freitagabend Anfang Oktober 1929 kommt ein Mann, er ist Anfang vierzig und mit einem Meter 75 eher durchschnittlich groß, die paar Schritte von seinem Büro in der Schellingstraße herüber, um seinen Freund und Parteigenossen Hoffmann im neuen Geschäft zu besuchen. Er betritt den Laden und Hoffmann bittet ihn ins Nebenzimmer. Wie so häufig, ist der Besucher nervös und unruhig. Hoffman glaubt, ein Imbiss werde ihm gut tun. Deswegen ruft er sein neues Lehrmädchen, sie möge bei einem nahegelegenen Gastwirt doch Bier und Leberkäs besorgen.

Hoffmann and Hitler

Leberkäs und Bier für den „Wolf“

Als die junge Praktikantin mit Krügen und Fleischkäse zurückkommt, stehen die Männer am Leuchttisch über neue Fotografien gebeugt. Hoffman holt Teller und Besteck und bittet die Praktikantin, sich zu ihnen zu setzen.

Eva Braun ist gerade 17, hat die Handelsschule in München abgeschlossen und eine Woche zuvor die Lehre begonnen. Der besondere Gast wird „Herr Wolf“ genannt. Wie Hoffmann bemerkt, hat er weniger Augen für seine Mahlzeit als für das Mädchen, dass er ständig anstarrt. Da es schon spät ist, will Eva nach Hause. Der Besucher bietet ihr an, sie in seinem Cabriolet nach Hause zu fahren, was sie aber ablehnt.

Am darauffolgenden Morgen fragt ihr Chef Hoffmann, ob sie den Herrn Wolf denn nicht erkannt habe? „Guck dich doch mal um, er ist doch der Adolf Hitler, der hier auf so vielen Fotos von uns hängt“. So etwa – rekonstruiert aus Erzählungen der Familie Braun – beginnt eine Geschichte, die zu den bestgehüteten Geheimnissen des Dritten Reichs gehören wird. Und die zu den Filmen von „Frau Hitler“ führt.

Ein Schicksalsmonat

Der Oktober 1929 ist ein historisch bedeutender Monat. Denn Hitler und seine NSDAP waren in Deutschland noch eine kleine Splitterpartei. Gerade einmal 2,8 Prozent der Wähler hatten im Jahr zuvor bei den Reichstagswahlen für die Partei gestimmt. Doch Hitlers Partei hat bereits reiche Finanziers. Und einige Tage nach der ersten abendlichen Begegnung zwischen Adolf Hitler und Eva Braun crasht in New York die Börse. Der Zusammenbruch der Weltwirtschaft wird für den Populisten Hitler zur Chance, gleichsam über Nacht ein bedeutender politischer Machtfaktor im Land zu werden.

Denn er bekommt jetzt Zugang zur Massenpresse des Hugenberg Zeitungskonzerns und kann landauf landab seine Botschaft trommeln: Ich, der Führer, mache Deutschland wieder groß. Der Mummenschanz mit Parteiuniformen gaukelt den Menschen Seriosität, Sicherheit und Strategie vor. Die Partei ein Männerbund, Arm einer militärischen Organisation, in den Köpfen zusammengehalten in den Erzählungen der Frontkämpfer des Weltkriegs. „Mein Kampf“ – mit Erfolg. 1930 erreicht die NSDAP 18 Prozent der Stimmen. Heute würden wir das den Erfolg eines Populisten nennen.

Für das schlichte Gemüt Hitlers, der selber an seine Erlöserrolle mit religiöser Inbrunst glaubt, mag sich dieser Erfolg mit dem Eintritt der blonden Madonnengestalt der Eva Braun in sein Leben verbunden haben.

Berchtesgaden 1945

Berchtesgaden

Einige Jahre zuvor, 1923, war Adolf Hitler zum ersten Mal nach Berchtesgaden gekommen, um seinen Parteigenossen Dietrich Eckart zu treffen. Eckart war der Herausgeber der Parteizeitung „Völkischer Beobachter“. Nach seiner Verurteilung und Haft in Landsberg zog es Hitler gleich nach seiner Entlassung zurück in die Berge. 1926 schreibt er dort am Band 2 von „Mein Kampf“. Bereits hier zeigt sich seine Vorliebe für junge Frauen. Mizzi, die 16jährige Maria Reiter, erliegt im Herbst 1926  dem „stechenden Blick“ des Parteiführers, der 21 Jahre älter ist. Halb Kind, halb Frau, eine einfach zu beherrschende Gespielin, eine unbefleckte Madonna, danach ist dem „Wolf“. Bis 1931 dauert die ungleiche Liaison, bei der das Mädchen nach eigenem Bekunden „alles mit (sich) geschehen ließ“. Allerdings, ob tatsächlich „alles“ geschah, ob Adolf Hitler die Minderjährige verführt hat, ist nicht mehr aufzuklären.

1928 kann Hitler ein Ferienhaus am Obersalzberg dauerhaft mieten, das Haus Wachenfeld. Und wieder kommt eine junge Frau ins Spiel. Seine Nichte Geli Raubal, deren Vormund er ist, verstrickt sich in eine tragische Liebesbeziehung zu ihrem Onkel. Sie endet 1931 im Selbstmord.

Hitler und Speer auf der Terrasse des Berghofs 1937

Eva Braun filmt ihren Geliebten Adolf Hitler…

Zu Geld und Macht gekommen, kann Hitler das Haus Wachenfeld 1933 erwerben. Jetzt wird das idyllische Ferienhaus nach Hitlers Vorgaben mit großem Aufwand zu einer herrschaftlichen Sommerresidenz umgestaltet. Der Obersalzberg wird Sperrgebiet. Das Führer-Versailles des Diktators in den Bergen.

Zu einem Lustschloss gehört ein Hofstaat. Auf dem Berghof ist Eva Braun gleich mit von der Partie. Zwischen dem „Wolf“, Adolf Hitler, und der 33 Jahre Jüngeren entwickelt sich seit der ersten Begegnung im Oktober 1929 eine Beziehung. Nach dem Tod von Geli Raubal wird Eva Braun Hitlers neue Muse und Geliebte. Schlicht und nett, findet Albert Speer. Ein einfaches Münchner Mädchen. Sie 19, er mittlerweile 42. Auch Eva Braun unternimmt zwei Selbstmordversuche. Denn öffentlich macht der Parteiführer die Beziehung nicht. An Heirat ist nicht zu denken. Aber er läßt sich seine Beziehung etwas kosten, kauft Eva Braun ein Haus, verschafft ihr ein fürstliches Einkommen. Hält sie im goldenen Käfig „Berghof“.

… in Farbe

Heinrich Hoffmann, der Hausfotograf Hitlers, hat Mitte der 1930er Jahre als einer der ersten Zugang zu den neuen, von AGFA 1936 entwickelten Agfacolor Farbfilmen. Eva Braun kann mit diesem Filmmaterial die Szenerie am Obersalzberg festhalten. Die Filme von Frau Hitler, die im Dritten Reich streng geheim gehalten wurden, lassen einen ungewöhnlich nahen Blick auf Hitler zu. Die Filme wurden 1945 von amerikanischen Soldaten in Eva Brauns Villa in der Wasserburgerstraße 12 (heute Delpstraße) in Münchens vornehmem Stadtteil Bogenhausen und in Österreich gefunden und beschlagnahmt.

Unser Zusammenschnitt zeigt im ersten Teil Hitler in weißer NSDAP Parteiuniform im Gespräch mit seinem Adjutanten SA-Gruppenführer Wilhelm Brückner in brauner Uniformjacke. Zu sehen ist auch Albert Forster, damals wichtiger Funktionär der Deutschen Arbeitsfront, mit dem Rücken zur Kamera. Hitler hatte damals vier Adjutanten, die auf anderen Teilen der Filme zu sehen sind. Hinzu kamen noch drei militärische Adjutanten. Eine Sequenz zeigt Hitler in brauner Uniform, einen Ausflug mit dem Cabrio und eine holprig geschauspielerte Szene am Treppenaufgang zum Berghof-Gebäude. Immerhin goutiert der stets reizbare Diktator die Filmleidenschaft seiner Freundin und spielt seine Rolle als Herrscher im Film brav zu Ende. Häufig zum Vergnügen der Beteiligten, die per Zufall ins Bild kommen. Es heißt, am Berghof habe Hitler sich wie im Familienkreis gefühlt. Private Aufnahmen sehen allerdings anders aus. Ungezwungenheit ist nicht zu sehen. Hitler versucht wie ein schlechter Schauspieler den Nimbus des von der Vorsehung unfehlbar geleiteten Führers vorzuspielen.

Wichtige Protagonisten

Hitler tätschelt die Kinder seines Architekten und späteren Rüstungsministers Speer, Albert (junior) und Hilde. Wir sehen einen smarten Albert Speer auf der Brüstung der Terrasse des Berghofs. Speer hat übrigens den Bau, der laut Goebbels Hitlers Lieblingsort und sein wirkliches Zuhause war, als Werk eines Dilettanten verspottet. Gemeint war Hitler selbst, der dort seine Architekturvorstellungen verwirklichen ließ. Das Ehepaar Speer wird dennoch Stammgast am Obersalzberg und gehört zum engsten Kreis um den Diktator. Dort waren die Macht und das Geld. Und Macht ist ein betörendes Gewächs. Auf den Filmaufnahmen läßt Albert Speer seine Arroganz allerdings sichtbar werden. Auch Johanna Morell, Frau von Hitlers Arzt, ist zu sehen. Und Aussenminister Joachim von Ribbentrop. Eine Aufnahme aus dem Sommer 1938. Dann nochmals Speer und Gerhard Engel, der Verbindungsmann zum Generalstab des Heeres war.

Die bunte Filmschau…

Hitler versuchte, seine Beziehung mit Eva Braun vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Eva Braun durfte in Berlin an keinem offiziellen Empfang teilnehmen. Wenn Besuch kam, wurde sie, die Mätresse, auch auf dem Berghof im Nebenzimmer versteckt. Zwei Selbstmordversuche unternahm Eva Braun, um diesem schwer erträglichen Doppelleben zu entrinnen. Den ersten 1932, noch bevor Hitler an die Macht gekommen war, den zweiten 1935. Ein Aufschrei aus tiefster Verzweiflung. Denn Hitler muss seine Liebe zu Eva Braun als Makel und Schwäche empfunden haben. Überliefert ist, dass er sie im Kreis der Getreuen vom Berghof verächtlich behandelt hat.

… zur Ablenkung?

Doch sie scheint in der großartigen bayerischen Bergwelt rund um den Obersalzberg und bei sommerlichen Ausflügen an die bayerischen Seen Freude und Lebensglück gefunden zu haben. Denn Hitler ermöglicht ihr ein luxuriöses Leben im Müßiggang. Ihre privaten Filmaufnahmen hat sie als „Bunte Filmschau“ zusammengeschnitten. Ein Filmausschnitt zeigt einen Badeausflug mit der Familie Braun, den Eltern Franziska und Friedrich und Ilse, der jüngeren Schwester Evas und Sekretärin bei Albert Speer, der Schauspielerin Else von Möllendorff, Annie Rehborn-Brandt und Karl Brandt, Sofie Stork und ihrer Clique im Sportbad Fleischmann, Steinebach am Wörthsee. Der Filmtitel  „Die bunte Filmschau“ wurde von Sofie Stork gezeichnet.

Hitler Schreiben Brandt zur Euthanasie

Dr. med. Karl Brandt ist auf vielen Aufnahmen zu sehen. Er gehört zur Stammbesatzung des Berghofs. Seit 1934 war er als Chirurg ein ständiger Begleiter Hitlers, der „Begleitarzt“. Falls Hitler in einen Unfall verwickelt worden wäre, sollte er sofort helfen. Der junge, schlanke, hochgewachsene Mann ist SS-Gruppenführer und Arzt an der Berliner Chirurgischen Universitätsklinik. 1939 wird Brandt von Hitler persönlich mit der Leitung des Euthanasieprogramms beauftragt.

Ein tausendfacher Mörder

Brandt war für die Ermordung tausender geistig behinderter Menschen verantwortlich. Die Idee, den Wert eines menschlichen Lebens „nach menschlichem Ermessen“ zu definieren, ist keine Erfindung der Nationalsozialisten. Die Eugenik war seit Ende des 19. Jahrhunderts eine international anerkannte Forschungsdisziplin. Francis Galton, der Vetter von Charles Darwin, hatte diese wissenschaftliche Lehre begründet. Hochwertige Erbanlagen sollten gefördert, minderwertige ausgeschlossen werden. Von hier ausgehend wurde auch die Euthanasie, die entweder Sterbehilfe oder absichtliche Tötung heissen kann, wissenschaftlich legitimiert. Karl Brandt versucht sich später darauf herauszureden, dass die Verantwortung für eine Tötung beim jeweils behandelnden Arzt gelegen habe.

Karl Brandt Berghof

Ein freundlich blickender intelligenter junger Mann

Wie kann der wissenschaftliche Diskurs in der Gesellschaft in diese grauenvolle Richtung abgleiten? Es gab in der Ärzteschaft der NS-Zeit kaum Diskussionen über die Zulässigkeit der Tötungsprogramme. Was hieß unter den Bedingungen der NS-Gesellschaft, die „Befugnisse namentlich zu bestimmender Ärzte so zu erweitern“ dass „nach menschlichem Ermessen“ „bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes“ der „Gnadentod gewährt“ werden kann? Weit über 100.000 Menschen sind am Ende dieser Anweisung zum Opfer gefallen, wie Braun bei seiner Vernehmung selber bestätigt. Wissenschaftliche Argumente dienen der Zerstörung der Menschlichkeit. Braun wird deswegen zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet.

Auch heute können wir in der Diskussion der Sterbehilfe nur dann richtig handeln, wenn wir uns der Beeinflussung unseres Urteilsvermögens durch die Umstände unserer Mitwelt bewusst sind. Aber Wissenschaft ist nicht wertfrei, nicht „wahr“, sondern immer ein Kind ihrer Zeit. Insofern eine trügerische Grundlage, besonders wenn es um die Entscheidung über Leben und Tod geht.

Die Frauen vom Berghof

Der Berghof wurde seit 1935 Hitlers beliebtester und wichtigster Aufenthaltsort. Auf Eva Brauns Filmen ist eine Reihe von Frauen verewigt, die zum Hofstaat gehörten. Die NSDAP entsprang den soldatischen Männerbünden aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Propaganda der NSDAP sah die Rolle der Frau als Gehilfin und Mitkämpferin des Mannes. Hitler verstand es immer wieder, Frauen in seinen Bann zu ziehen. Bekannt sind die ekstatischen Szenen bei NSDAP Großveranstaltungen, bei denen führerbegeisterte Frauen der Ohnmacht nahe sind.

Pünktchen am Berg

Eva Braun hat eine Filmsequenz „Pünktchen am Berg“ betitelt. „Pünktchen“ ist die Münchner Schauspielerin Else von Möllendorff. Sie war eine enge Freundin von Eva. Zu sehen sind auch Gerda Bormann, Herta Schneider und Evas Brauns Schwester Gretl. Lässiges Posieren der Protegés eines Mächtigen, der sich gerade anschickt, nach der Weltherrschaft zu greifen. Der bereits zu dieser Zeit bedenkenlos zehntausende jüdische Familien erniedrigen und zerstören lässt, der vor keiner Gewalttat zurückschreckt, den großen Krieg plant, der Millionen Opfer kosten wird und Deutschland sowie Europa zerstört. Pünktchen am Berg – insoweit bei aller Harmlosigkeit im Detail ein bestürzendes Dokument der naiven Normalität.

Fit für den Führer

Einige der sommerlichen Filmaufnahmen von den oberbayerischen Seen zeigen Eva Braun bei Fitnessübungen. Also kann man annehmen, dass sie Hitler mit diesen Aufnahmen beeindrucken wollte. Wie immer die Beziehung zwischen den beiden aussah, Körperkult und Sex spielen für Hitlers Muse eine große Rolle.

Die First Lady? Offizielle Besucher

Die Rolle der „First Lady“ des Dritten Reichs spielt seit 1931 Magda Quandt, die später Josef Goebbels heiratet. In Berlin zeigte sich Hitler auf offiziellen Empfängen an ihrer Seite, sehr zum Missvergnügen seines Propagandachefs. Goebbels bemerkt über Hitler, er habe bei Frauen kein Glück, weil er ihnen zu weich sei. Jedoch gehört zum Mythos Hitler seine Rolle als alleinstehender, im Prinzip für alle Frauen erreichbarer Hohepriester. „Wenn das der Führer wüßte“ lautete ein Topos im Volk, mit dem die Untaten, die Korruption und das Versagen der NS Funktionäre zwar bemerkt, Hitler und sein totalitäres System aber entschuldigt wurden. Deswegen wurden zig-Tausende Eingaben, Beschwerden und Bittschriften aus der Bevölkerung an den Führer geschickt, im naiven Glauben an den gerechten Führer und Messias.

Nur auf dem abgesperrten Gelände des Berghofs konnte Hitler eine private Rolle spielen. Die Lage über dem Berchtesgadener Tal entsprach seinem Selbstbild als weitsichtiger Visionär und Künstler. Der Berghof wurde mit den ausgedehnten Aufenthalten von Hitler zu einer Art Regierungssitz. Für die Reichskanzlei unter Hans Heinrich Lammers wurde eigens eine Aussenstelle in Bischofswiesen errichtet. Der Berghof war mit Telefon und Fernschreiber rund um die Uhr erreichbar. Die Sekretärinnen und Adjutanten arbeiteten im Gebäude. Dennoch liebte Hitler es, sich hier unerreichbar zu machen. Andererseits gingen Parteigrößen ein und aus und offizielle Staatsbesuche gab es auch am Berghof.

Ein offenes Geheimnis?

Die Rolle von Eva Braun konnte nicht verborgen bleiben. Offiziell wurde Eva Braun als Hitlers Sekretärin geführt. Und vielleicht gab sie sich als Angestellte der Firma Heinrich Hoffmann und Fotografin aus, wenn sie Filmaufnahmen der Besucher machte? Die Aufnahmen zeigen bei sorgfältiger Durchsicht jedoch, dass niemandem im Führungszirkel des Dritten Reichs die Rolle von Eva Braun verborgen geblieben war.

Mussolinis Aussenminister Graf Galeazzo Ciano kokettiert auf einem Foto mit ihr. Und Josef Goebbels grüßt jovial in die Kamera, auch Himmler scherzt entspannt. Dem mächtigen NSDAP Schatzmeister Franz Xaver Schwarz wirft sich Eva kokett an die Brust. Er oder Martin Bormann steckten ihr Kuverts mit Bargeld zu. Hermann Esser, Parteibuch Nummer 2 der NSDAP, führt sie feixend am Arm.

Nach dem Ende des Naziregimes wird Esser versuchen, mit einem Manuskript „Frauen um Hitler“ Kasse zu machen. Schon 1938 wurde in einer tschechischen Zeitschrift auf Eva Braun hingewiesen. Jedoch hat der amerikanische Reuters Korrespondent in München, Ernest Pope, der einige Kenntnisse des Nachtlebens der Münchner NS Prominenz in den Jahren vor 1940 ausbreitet, zu Eva Braun nur wenig berichten können. Die deutsche Öffentlichkeit erfuhr von diesen Vermutungen allerdings nichts. Weil, so Josef Goebbels , der Führer „sich voll und ganz der Nation widmet und kein Privatleben hat …“. Aber die Neugier der Deutschen war risengroß, Tausende defilierten in den Sommerwochen am Zaun des Berghofs.

Das Ende

Am 28. April 1945 diktierte Hitler seiner Sekretärin Traudl Junge: „Da ich in den Jahren des Kampfes glaubte, es nicht verantworten zu können, eine Ehe zu gründen, habe ich mich nunmehr vor Beendigung dieser irdischen Laufbahn entschlossen, jenes Mädchen zur Frau zu nehmen, das nach langen Jahren treuer Freundschaft aus freiem Willen in die schon fast belagerte Stadt hereinkam, um ihr Schicksal mit dem meinen zu teilen.“ Eva Braun wird für 24 Stunden zu Hitlers Ehefrau. Dann enden beide durch Selbstmord. Zeitgleich am 25. April wird der Berghof von britischen Bombern in Schutt und Asche gelegt. Amerikanische Soldaten filmen Anfang Mai 1945 die gespenstische Szenerie.

Beitrag: Stephan Bleek. Lizenzierungsanfragen für Texte, Film- und Fotomaterial bitte an zb Media.

Filme von „Frau Hitler“2020-05-13T17:31:42+02:00

Zwei am Steuer

Zwei am Steuer

Auto 1935

Auto mit 2 Steuerrädern 1935.

Eine kuriose Idee eines amerikanischen Fahrschullehrers in Cleveland / Ohio von 1935. Ein Auto mit 2 Lenkrädern „um weibliche Fahrer zu unterrichten“. Ein Lenkrad für die Frau, aber das Steuer fest in männlicher Hand? Ein Vorläufer des autonomen Fahrens? Ohne Schmerzen und ohne Belastungen, wie der Wochenschausprecher meint. Was aber, lieber Herr der Lage, wenn sie nach links und er nach rechts lenken will? Die Frage, welches Steuerrad die Masterrolle spielt, ist nicht klar ersichtlich. Ob wenigstens am 8. März die Frau ihren Weg fahren durfte?

Die Fahrkunst

Übrigens gab es solche Fahrschulwagen mit zwei Lenkrädern eine Zeitlang tatsächlich. Ford hat auch noch in den 40er Jahren solche Konstruktionen an Fahrschulen geliefert. Und die Skepsis gegenüber unseren menschlichen Fahrkünsten begleitet die Automobilgeschichte von Anbeginn an: „Es wird weltweit nie mehr als eine Million Autos geben, schon weil dafür die Chauffeure fehlen“, glaubte der Erfinder des Automobils, Gottlieb Daimler. Heute entwickeln wir mit großem Aufwand Assistenzsysteme und autonomes Fahren steht ganz oben auf der Wunschliste für die Zukunft. Eine tolle Zukunft dank Computer wird uns vorgeschwärmt. Das moderne Auto mit zwei Lenkrädern.

Unsere Autonomie…

Aber hat nicht das Fahren-können viel mit Selbstbestimmung und persönlicher Freiheit zu tun und hat das Fahren nicht ein neues, aktives Lebensgefühl begründet? Für die Frau von 1935 war der Führerschein ein Akt der Emanzipation. Fahrtechnik beherrschen, das eigene Leben bereichern. Noch gibt es diesen Stolz auf die Fahrkunst. Und vielleicht setzt sich der Wunsch des Menschen nach Selbstbestimmung am Ende doch gegen das Milliardengeschäft „autonomes Fahren“ durch. Denn um wessen Autonomie geht es uns eigentlich? Eigentlich muss es richtig „automatisches Fahren“ heißen. Wir Menschen sollen ja offenbar hier, wie in vielen anderen Bereichen, vom Computer in die Rolle des bloß passiven Konsumenten, Zuschauers oder Fahrgasts gedrängt werden. So wie 1935 der Frau als Schülerin offenbar wenig Zutrauen von ihrem männlichen Lehrer entgegengebracht wurde. Nur ging es damals um Fahrschule, in Zukunft wird es darum gehen, ob wir überhaupt noch selber fahren dürfen.

… in Gefahr

Vorsicht! Menschliche Fahrkönner wird es in der Welt des sogenannten „autonomen“ Fahrens nicht mehr geben. Frecherweise sollen wir nur noch herhalten, wenn der Computer nicht mehr weiter weiß und uns vor die Wand fährt. Dann soll der Mensch das Steuer wieder übernehmen. Ohne Fahrpraxis, ohne Können. Das wird wohl kaum funktionieren und dient auch vor allem dazu, das Haftungsrisiko für Programmier und Hersteller zu verkleinern. Unsere Autonomie bestimmt sich wesentlich dadurch, mit unserem Willen die Geschicke zu lenken. Den Zustand der Selbstbestimmung also. Diese sollen wir aufgeben. Wollen wir das?

Zwei am Steuer2020-03-06T15:54:17+01:00
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