Buchenwald und Belsen – 20. April 1945

Eine amerikanische Wochenschau vom 20. April 1945

Mitte April 1945 hatten amerikanische und britische Truppen die ersten NS-Konzentrationslager erreicht. Was sie vorfanden, überstieg das Vorstellungsvermögen. Die Filmdokumente dieser Tage sind ein wertvolles Archivgut, das uns 75 Jahre danach noch zeigen kann, wie abscheulich diese dunkle Seite des SS-Staates aussah.

Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar

Der Wochenschaufilm von United News beginnt mit dem Besuch von 10 britischen Parlamentsabgeordneten im Konzentrationslager Buchenwald. Hierzu heisst es im Bericht Bericht des 120. Evacuation Hospital vom 10. Juni 1945:

„Am 19. April 1945 besuchte eine Gruppe von zehn britischen Parlamentsmitgliedern das Lager, um die Bedingungen dort aus erster Hand zu sehen. Sie wurden durch das Lager und durch die Krankenstationen geführt und waren sehr beeindruckt von der Arbeit, die von der Einheit geleistet wurde. Während ihrer Inspektion wurden ihnen die Gefangenenbaracken, die Kinderquartiere, das Lagerkrematorium, der berüchtigte ‚Block 61‘ und die SS-Kasernen, die als Krankenstationen benutzt wurden, gezeigt.“

Konzentrationslager Belsen in der Lüneburger Heide

Der zweite Teil des Films zeigt das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Am 15. April hatten Einheiten des britischen 63. Panzerabwehrregiments das Lager erreicht. Die Besetzung des Lagers war Ergebnis eines Abkommens, das die SS und der Reichsführer Himmler mit den Briten ausgehandelt hatten. Britische Kameraleute filmten die Grauen erregenden Bilder der ausgemergelten Überlebenden und der Leichenberge. Typhus und Ruhr hatten tausende Häftlinge infiziert. Zu sehen ist auch der letzte Kommandant des Lagers SS Josef Kramer. Kramer wurde in München geboren und in Augsburg aufgewachsen. Seit 1932 machte er Karriere in der SS und seit 1934 arbeitete er im Konzentrationslagersystem. Vor Belsen war er bereits Kommandant der Lager Natzweiler-Struthof und Auschwitz. Nach seiner Verurteilung zum Tode im November 1945 beschrieb er sich im Gnadengesuch als reiner Befehlsempfänger.

Im Film sind auch die weiblichen Wachmannschaften des Lagers zu sehen. Unter Ihnen auch Irma Grese, die wie Kramer zum Tode verurteilt wurde.

KZ Außenlager Thekla bei Leipzig

Das Lager Thekla war ein Außenlager von Buchenwald. Hier wurden die hHäftlinge zur Zwangsarbeit in der Erla Maschinenfabrik zur Produktion von Flugzeugteilen eingesetzt. In das Lager waren kurz vor dem Eintreffen der amerikanischen Truppen noch tausende Häftlinge aus dem Lager Groß Rosen gebracht worden. Der Todesmarsch dieser Häftlinge ging noch vor dem Eintreffen der Befreier weiter. Wie der Film zeigt, waren die Baracken der wenigen verbliebenen Häftlinge in Brand gesetzt worden und die Häftlinge in den mit Hochspannung elektrisch geladenen Zaun getrieben worden, wo sie elendlich verkohlten. Dieses Massaker geschah am 18. April 1945.

Selbstmord des Oberbürgermeisters von Leipzig

Am Schluß des Wochenschaufilms ist das Büro des Leipziger Oberbürgermeisters zu sehen, in dem die Familien von Ob Alfred Freyberg und von Stadtkämmerer Kurt Lisso Selbstmord verübt haben.

Buchenwald und Belsen – 20. April 19452020-04-17T17:19:15+02:00

Eine jüdische Schule 1937 in Berlin

Filmaufnahmen von der Leonore Goldschmidt Schule in Berlin

Die Dr. Leonore Goldschmidt Schule in Berlin wurde 1935 als jüdische Privatschule in Berlin gegründet, um jüdischen Kindern einen Schulbesuch ohne Repressalien zu ermöglichen. Jüdische Schulkinder wurden seit 1933 in Nazi-Deutschland systematisch drangsaliert und schließlich Ende 1938 ganz vom Schulbesuch ausgeschlossen. Die Goldschmidtschule bot hunderten Kindern Schutz und eine gute Ausbildung. 1939 konnten die meisten Kinder aus Deutschland emigrieren.
Leonore Goldschmidt Registrierungskarte

Die Schule

Dr. Leonore Goldschmidt, geborene Tacke, war eine promovierte Historikerin und Anglistin. 1923 heiratet sie den Rechtsanwalt und Notar Ernst Goldschmidt. Sie arbeitet in Berlin als Lehrerin. 1933 wird sie von der Nazibehörde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil sie mit einem Juden verheiratet ist.
1935 gründet Frau Goldschmidt die Privatschule für jüdische Kinder in Berlin-Grunewald in der Kronberger Straße 24. Dort werden im Sommer 1937 über 500 jüdische Kinder von 40 Lehrern unterrichtet.
Frau Goldschmidt erreicht über die Anstellung eines britischen Lehrers den Status einer zweisprachigen Schule, deren Abschlüsse von der Uni Cambridge anerkannt werden. So können die Kinder auf die absehbare Emigration vorbereitet werden. Anfang 1938 erhält die Schule die Erlaubnis, Abiturprüfungen durchzuführen. Doch die Ereignisse in Wien im März 1938 offenbaren das brutale Vorgehen des Nazi-Staates gegen Juden. Die Goldschmidts bereiten sich und ihre Schule auf die Emigration vor. Im Sommer 1938 reisen sie in die USA, um eine Aufnahme der Schule dort zu verhandeln. Nach ihrer Rückkehr wird dieses Projekt jedoch von den Berliner Behörden untersagt. Schließlich übertragen sie das Eigentum an der Schule an den englischen Lehrer. Dadurch wird die Schule als ausländische Einrichtung geführt. Die Folge: beim Novemberpogrom 1938 wird die Schule nicht angetastet. Das rettet den Kindern das Leben. Sie können im Winter und im Frühjahr 1939 mit den Kindertransporten nach England emigrieren. Ernst Goldschmidt verlässt Deutschland bereits am 10. November 1938. Dr. Leonore Goldschmidt verlässt Deutschland endgültig am 20. Juli 1939. Ihre Schule wird in Folkestone wiedereröffnet. Einige Lehrer der Schule waren am 9. November verhaftet worden, kommen jedoch Anfang Dezember wieder frei. Nicht alle Lehrer und Kinder können Deutschland 1939 verlassen. Auch vielen Eltern der Goldschmidtschüler war die Rettung nicht vergönnt und sie starben in der Todesmaschinerie des Holocaust. Eine ausführliche Schilderung der Geschichte der Goldschmidtschule hat die Tochter von Leonore Goldschmidt verfasst.

Visa Julien Bryan

Die Filmaufnahmen

Die Filmaufnahmen des amerikanischen Journalisten Julien Bryan entstanden vermutlich im Sommer 1937 oder im Jahr darauf. Seine Aufnahmen der Goldschmidtschule wurden nie veröffentlicht.

Vor einigen Jahren habe ich sie in der Library of Congress gesichtet und eine Scanerlaubnis erhalten. Die HD Scans habe wir technisch bearbeiten und verbessern lassen, ohne die originalen Filmaufnahmen zu stark zu verändern. Die genaue Datierung der Aufnahmen ist nicht belegt. Auf Seite 12 des Passes ist eine Geldabhebung in Heidelberg im September 1937 vermerkt.

Thea Wolffsohn, eine ehemalige Schülerin der Goldschmidtschule hat die Aufnahmen gesehen und glaubt, sich auf einer Aufnahme im Klassenraum zu erkennen. Sie hat die Schule allerdings 1938 besucht. Dann wären diese Aufnahmen möglicherweise nach der Rückkehr der Goldschmidts aus den USA im Sommer 1938 entstanden.

Passport Julien Bryan

Eine jüdische Schule 1937 in Berlin2019-12-05T15:52:33+01:00
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